Bremsen überholen
Die Königsdisziplin.
Fährt man einen fremden HY und drückt das erste mal auf die Bremse weiß man ob man einen fähigen (und leiderprobten) Schrauber vor sich hat.
Der Fairnis halber: Ist das Nachbauteil scheiße kann auch der fähigste Schrauber nix mehr retten. Die Tücke steckt im Detail.
Ich gebe hier mal meine Erfahrungen wieder, evt. gibt es dazu auch andere Erfahrungen oder Lösungen - zuschicken, es wird alles veröffentlicht ;)
Die Ausgangssituation:
Der HY zieht beim Bremsen einseitig. Loslassen des Lenkrades beim bremsen? Völlig unmöglich!
Die Bremse "hubbelt" und das Pedal schlägt in der Frequenz der Radumdrehung zurück.
Vollbremsung mit stehenden bzw. über die Straße rutschenden Reifen ist mit vertretbarer Fußkraft kaum möglich.
Die Dosierung ist schwierig, oft überbremsen die Hinterräder gerade bei nassen Straßen - mit üblen Folgen.
Die Verteilung der Bremskraft ist nicht reproduzierbar. Mal überbremsen die Hinterräder mal nicht. Man weiß nie wie es beim nächsten mal sein wird.
Oft überbremst die Hinterachse auch nur einseitig und zwar schon bei nur ganz sachtem Bremsen und obwohl das Fahrzeug noch garnicht richtig verzögert wird.
Der Hauptbremszylinder kommt nach dem Bremsen nur verzögert zurück (merkt man durch mehr Leerweg bis ein Widerstand mit dem Fuß festzustellen ist, das Pedal ansich kommt immer direkt zurück da es nicht fest mit dem HBZ verbunden ist.
Letzte Stufe: Die Trommeln werden nach dem Bremsen nicht mehr richtig freigegeben, es schleift und schabt überall.
Bremsflüssigkeit muss ständig nachgefüllt werden.
..ach is das alles scheiße, Dreckskarre :D
Die Lösung:
Wie immer beim HY:
Alles komplett zerlegen! Aufbau siehe Explosionszeichnungen bei
technische Dokumente.
Hilfe die Trommel geht nicht runter!
Bremsleitungen wo nötig ersetzen. Die flexiblen Gummileitungen neigen zum aufqillen, dann geht mit viel Druck zwar noch etwas durch aber das zurückströmen der Flüssigkeit dauert zu lange oder ist überhaupt nicht möglich. Bördelgerät kann man bei Händlern leihen (siehe Links)
Die Citroen Bördel sind (natürlich) mit nichts sonnst kompatibel.
Nun folgt die Instandsetzung der Einzelteile:
Alle Bremskolben die auf der Lauffläche rostig sind -> Tonne -> neu kaufen.
Ansonsten gut reinigen und evt. vorsichtig maschinell nachhonen.
Dichtsätze sind überall erhältlich.
Aluminium oder Stahlkolben mit der Drehbank und ganz feinen Schleifleinen (Körnung 1000+) aufpolieren.
Ist der Radbremszylinder fest und lässt sich nicht mit einem leichten Hammerschlag lösen so ist eine Überholung meist nicht sinnvoll!
Bestehen Zweifel ob der Zylinder dicht wird lieber vorher testen, austretende Bremsflüssigkeit versaut euch die neuen, teuren Beläge und man kann von vorne anfangen.
Für den Hauptbremszylinder gibt es Dichtsätze die bei 80% aller Fälle die Funktion wiederherstellen.
Zerlegen und Reinigen siehe Explosionszeichnung.
Ersatzzylinder sind ebenfalls im Handel verfügbar.
Als nächstes die Radlager kontrolieren (Einspannen, Spielfreiheit und korrekter Sitz der Distanzringe kontrolieren)
Hat das
Radlager schon Spiel ist die Bremseneinstellung eh für die Katz!
Die Innenseiten der Bremstrommeln begutachten!!!
Solche Trommeln braucht man nicht wieder einbauen. Die Risse zeugen von einer Überlastung. Auch sonnst ist hier nichtsmehr gerade.
Wenn ihr einen guten Betrieb kennt kann man die (guten) Trommeln auch ausdrehen um eine gleichmäßige Oberfläche zu erhalten.
ACHTUNG: Die Trommeln _müssen_ dafür zerlegt, die Radbolzen ausgepresst werden:
Die Maximal zulässige Rundlaufabweichung beträgt 5/100stel mm! Sagt das dem Dreher, die meisten denken "bei so ner alten schees kommts nicht so drauf an".
Die Kontaktflächen von Nabe und Trommel müssen ebenfalls plan sein (reinigen und Kontrollmessung durchführen).
Danach die Bolzen wieder einpressen und mit Dorn neu und einzelnd sichern. BTW: Schlagschrauberverbot! Trommeln mit verschweißten Radbolzen gehören in die Tonne da unsachgemäße Reparatur.
Die Bremsbacken am besten von einem alteingesessenen Betrieb qualitativ neu belegen (einvulkanisieren) lassen!
Die erhältlichen Kompletteile sind meist miserable Qualität.
Die Einstellexcenter und Führungen sowie alle mechanischen Teile müssen rost- und narbenfrei sein!
Die Bremsbacke dreht sich später um den Einstellexcenter (das Teil zwischen den Fingern) und zwar leicht und ohne klemmen.
Oftmals sind diese so fest mit der Bremsbacke verbunden das man denkt es wäre ein Teil.
Der Einstellexcenter wird aber später durch eine Mutter fixiert und kann sich daher nicht mehr drehen.
Der Bremskraftregler (bei späteren Baujahren):
Der kleine Sprengring (zweiter von rechts) durch das kleine Loch mit einer Büroklammer lösen, danach alles komplett zerlegen und reinigen.
Ist der Metallzylinder (glänzend!) oder die Dichtung (drittes Teil von links) defekt wird es schwierig.
Dieses Teil ist nicht zerlegbar, es gibt auch keine Ersatzteile -> Gebrauchtmarkt.
Ersatz für die Dichtung (viertes Teil von rechts) oder die Manschette (nicht abgebildet) gibt es bei den Händlern.
Alle Federn und umlenkhebel reinigen. Die Befestigung an der Hinterachsschwinge ist eigentlich immer völlig ausgeschlagen.
Hier hilft nur neu drehen und Aufnahme zuschweißen und neu Bohren.
Hat man alle Leitungen gespühlt und die Einzelteile überholt kann es ans zusammensetzen gehen!
Kupferpaste nicht vergessen!
Bevor nun die beiden Kronenmuttern auf den Einstellexcentern angezogen werden kommt das Einstellen.
Hier hat sich ein altes Radlager nebst Gewindestange und Flacheisen als sehr hilfreich erwiesen.
(vorne gehts auch)
Die Gewindestange wird einfach rechtwinklig auf ein alte Radlager aufgeschweißt, das Lager ohne Distanzring am Fahrzeug spielfrei montiert. Über zwei Muttern wird die Größe der Bremstrommel exakt eingestellt (Vorher aufmessen, Schieblehre, Distanzstück etc.)
Ist die Trommel eingelaufen muss man natürlich dort messen!
Durch drehen der Einstellexcenter UND der Backenexcenter auf der Rückseite der Ankerplatte wird nun solange geschlüsselt bis das Flacheisen auf der gesammten Umdrehung des Messtools an der Backe schleift. Im Idealfall liegt die größste Reibung 1/3 vom Drehpunkt der Backe entfernt und nimmt über den Rest leicht ab.
Die Einstellexcenter sollten mit einem alten Flexschlüssel und zwei Fingern LEICHT zu drehen sein.
Und weils sonnst nicht so lustig wäre beeinflussen sich natürlich die Einstellexcenter am Drehpunkt und die Einstellexcenter auf der Rückseite gegenseitig. Und vorne hat der HY eine Duplex-Bremse also jeweils zwei Bremskolben und 4 Einstellexcenter je Seite! Da kommt Freude auf! Nach der Einstellerei die Einstellexcenter mit den Kronenmuttern sichern und versplinten, ebenso alle Sicherungsbleche verstemmen. Aufpassen das sich beim anziehen der Muttern nichts verdreht!
Für die Trommelmontage die rückseitigen Excenter ganz zurückdrehen. Danach wieder so weit zudrehen das die Trommel gerade ein ganz klein wenig schleift.
Nun noch schnell entlüften. Am einfachsten einen Schlauch komplett zurück ins Vorratsgefäß legen und als erstes den weitesten Weg entlüften. Solange alle 4 Enden im Kreis pumpen bis wirklich keine auch noch so kleine Luftblase mehr zu sehen ist. Das kann manchmal ziemlich lange dauern.
Druckpunkt überprüfen, alles dicht? -> Testfahrt!
Nach einigen km sollte eine deutliche Verbesserung spürbar sein.
Die Hinterachse muss über die zwei Langmuttern des Bremskraftregler-Gestänges so einjustiert werden das beim bremsen der "Arsch" durch das Drehmoment der Bremse ganz leicht nach unten schwingt. (gezogene Schwinge, siehe:
Bremsmoment)
Die Vorderachse sollte aber immer VOR der Hinterachse blockieren.
Dies kann man sehr gut auf einem Feldweg durch messen der Bremsspuren vorne und hinten kontrolieren.
Evt. muss diese Einstellung am Anfang ein paar mal korrigiert werden bis sich die neuen Beläge eingeschliffen haben.
Die traurige Wahrheit ist: 85% aller HYs haben eine völlig falsch justierte Bremse und beim Tüv wird auf die Verteilung kaum geachtet.
Solange die Achse halbwegs gleichmäßig (schlecht) bremst winken die jeden Scheiß durch :D
Ein richtig eingestellter HY bremmst weit besser als jeder Sprinter und die Bremse ist sehr gut zu dosieren!
Achtung, eine harte Vollbremsung mit ganz leerem HY ohne Innenausbau auf abschüssiger Straße führt zum aufstellen des Hecks das nach dem Stillstand des Fahrzeugs auf die Straße kracht. Lustig, siehe Peugot:
Benutzung der Bremsanlage
Eigentlich könnte die Bremsanlage jetzt wieder 10 Jahre halten, leider wird sie aber von den meisten Fahrern falsch bzw. garnicht benutzt. Wichtig ist die Bremsbeläge auch ab und an mal auf Temperatur zu bringen! Das erreicht man nicht in dem man ständig per Motorbremse vor sich hinrollt oder gemütlich leer durch die Stadt gurkt.
Der HY ist ein Nutzfahrzeug, er wurde dazu konstruiert auch im unwegsamen, heißen Südfrankreich seine Ladung sicher auf den Berg hinauf und wieder herunterzubringen. Er ist bis 4t Gesamtgewicht zugelassen (mit Anhänger) Er mag es also wenn die Bremse ab und an auch mal richtig heiß ist. Die Bremse hält auch den Großglocknerpass problemlos aus, immer nur Motorbremsen ist nach meiner Erfahrung nicht erforderlich! Ich mach das nur wenn ich wirklich schwer geladen habe! Motor aus, Gang raus - das spart Sprit. Auch beim abstellen gilt: Handbremse ordentlich festziehen, nicht immer nur den Gang einlegen. Dann bleibt alles gängig.
Eine vorsichtige Fahrweise wie auf Eiern "ist ja ein altes Auto!" ist wenig hilfreich für die Bremse! Das Auto wurde von Franzosen, für Franzosen konstruiert, es hält auch eine Vollbremsung aus Tempo 100 oder eine schleifende Bremse bei 12% Gefälle problemlos aus.
Wird das Auto nur geschont (leer bewegt) ist es Sinnvoll einmal im halben Jahr mit angezogener Handbremse 5km durch die gegend zu fahren bis es anfängt zu zwitschern. Ungleichmäßiges ziehen oder schlechte Bremswirkung verschwindet dann meist soffort wieder.
Wird der HY nie RICHTIG beladen (also min. 1t) rottet zudem der Bremsregler fest, das Fahrzeug benutzen lautet auch hier die devise. Bei schweren Wohnmobilen mit immer gleicher Last ist es evt. besser den Bremskraftregler durch einen Bypass zu ersetzen.
"Beherztes reinlatschen" mit festhalten am Lenkrad (kann man auch im Stand machen) hält die Radbremszylinder gängig und es bilden sich im Bewegungsbereich keine Ablagerungen.
Vorraussetzung ist natürlich das die Bremsanlage wie oben beschrieben überarbeitet wurde und grundsätzlich richtig funktioniert!
Bremsflüssigkeit alle 2-3 Jahre wechseln!
...zieht immernoch schief!!!
Der HY zieht nach 50km Einfahrstrecke immer noch beim Bremsen? Dann liegt es höchstvermutlich am Fahrwerk selbst. Hat einer der Querlenkerachsen oder Kugelbolzen Spiel verändert sich beim Bremsen der Nachlauf des Rades!
Durch den dann ungleichen Nachlaufwinkel von rechtem und linkem Rad führt dies zu einem Rückstellmoment als wenn die Lenkung eingeschlagen wäre. Erkennen kann man das über die Handbremse. Lässt sich die Handbremse so justieren das der HY gleichmäßig bremst obwohl dies trotz überholter Bremszylinder bei der Fußbremse nicht möglich ist so hat man ein starkes Indiz für ein Fahrwerksproblem. Die Handbremse gleicht dann durch ungleichen Zug die schlechte Fahrwerksgeometrie aus.